Hinein in den Nebel

Konzert, auf dem Bildschirm steht "mehr als je zuvor"
"Mehr als je zuvor" auf dem Christival 2022 in Erfurt

Ich sauge die Stimmung auf. Die Freude, das Adrenalin tausender Menschen umgibt mich. Energie liegt in der Luft. Mitreißende Lieder, Videoclips zum Mitfühlen mit einer guten Portion gringe Faktor. Ich bin froh, hier zu sein. Endlich wieder einfach nur Konsumieren, einfach nur Aufsaugen, da sein, im Moment sein und Genießen. Und im gleichen Moment weine ich, weil es nicht das ist, was meiner Familie gerade gut tut. Ich weiß, ihnen geht es gut, aber insgesamt geht es uns damit nicht gut. Eine Träne läuft mir über die Wange. Ich flüstere Gott ein Dankeschön zu und die Bitte, er möge meine Lieben daheim mit Frieden, Freude und einer großen Mütze Schlaf segnen.

Es ist dieser Zwiespalt und die leise Ahnung, dass dies vorerst die letzte große Veranstaltung sein wird, bevor ich meine Prioritäten wieder mehr dorthin verschiebe, wo sie in den letzten Wochen zu kurz gekommen sind. Es soll anders werden. Das weiß ich schon. Aber jetzt bin ich hier. So viele sind beteiligt, das möglich zu machen. Da will ich nicht jammern, sondern dieses kostbare Geschenk freudestrahlend mit einer Träne im Auge dankbar annehmen.

Die Zeilen oben habe ich vor drei Wochen auf dem Christival aufgeschrieben. Das Thema begleitet mich seit ungefähr 40 Tagen. Dazu bald in einem weiteren Beitrag mehr.

Eine Lektion beim Einkaufen

Einen Tag nach dem Christival habe ich einen Syrer beim Einkaufen getroffen, der in meiner Nachbarschaft wohnt und mit dem ich mich manchmal unterhalte. An diesem Tag hat er mich etwas gelehrt: Nach dem wir schon eine Weile gesprochen hatten, fragte er: „Für wen hast du das gekauft?“, und zeigte auf meinen Kofferraum voller Bier, Limo, Brötchen, Würstchen und Haferdrink. „Meine Tochter hat Geburtstag, ich habe es für die Gäste gekauft, die heute kommen“, antwortete ich irritiert. Er erklärte: „Das meine ich nicht. Für wen ist das? Für wen gibst du Geld aus? Weißt du, du solltest alles, was du kaufst, für Jesus kaufen. Wenn du einkaufst, dann sag Gott: Das habe ich für dich gekauft, mach du was Gutes daraus. Und dann wirst du vielleicht deinen Kindern etwas zu Essen daraus kochen oder vielleicht hat Gott auch noch andere Pläne damit. Wenn du nur eine Woche bei allem, was du hast, Gott sagst: ‚Das ist für dich, heilige du es!‘, dann wird das einen Unterschied machen. Glaubst du das?“

Mir wurde es wohlig warm bei diesem Gedanken und ich spürte, dass er recht hatte.

Heiliger Alltag

In letzter Zeit merke ich immer mehr, wie Gott mir zeigt, dass er meinen Alltag heilig machen möchte. Er lässt mich spüren, dass es diese Trennung bei ihm nicht gibt, zwischen „Dienst für Gott“ und dem Rest. Mein ganzes Leben mit all den vielfältigen Aufgaben ist in seinen Augen wertvoll und kann zum Segen werden. Das Aufräumen, Einkaufen, Kinder versorgen, Freunde treffen, Gärtnern, Wäsche aufhängen, Kochen…. das ist alles nicht weniger wertvoll, als wenn ich anderen von Erlebnissen mit Jesus erzähle. Er will mich genau dort gebrauchen, wo ich sowieso die ganze Zeit bin. Und damit ist dann nicht nur der Moment gemeint, in dem ich beim Wäscheaufhängen einen christlichen Podcast höre oder einer ratsuchenden Mutter beim Abholen der Kids zuhöre. Sondern auch die Tätigkeiten an sich.

Schmetterling auf Löwenzahn

Alles für Gott?

Das Problem ist aber: Das wusste ich irgendwie, aber gleichzeitig wurde mir schon tausend mal gesagt, dass ich „alles für Gott geben soll“ und dann folgten Beispiele von Menschen, die ein Kinderheim in Afrika gegründet hatten. Oder ein faires veganes Modelabel. Als ich diese Aufrufe und Ermutigungen auf dem Christival noch einmal hörte, hörte ich Gottes leise Stimme in meinem Herzen. Sie sagte mir:

  • Dass es nicht sein Plan war, dass ich mit drei Kindern so weiter mache, als würde es sie nicht geben.
  • Dass es meine Berufung war, vollzeitlich jungen Menschen Mut zu machen, Schritte im Glauben zu gehen. Dass ich aber nicht mehr die gleiche bin. Dass nun andere Aufgaben warten.
  • Dass es Zeit wird, nach fast sieben Jahren zu kapieren, dass auch ein Leben ohne diese Berufung ein wertvolles und gesegnetes Leben sein kann. Auch für mich. Und dass das nicht bedeutet, dass ich nicht arbeiten soll, aber dass es vielleicht bedeutet, dass ich anders arbeiten muss darf.
Sonnenaufgang im Zeltlager
Sonnenaufgang

Nebel

Für den Moment bedeutet es, dass ich nachforsche, was ich eigentlich sonst noch kann. Das Schöne ist: Die Zukunft liegt gerade für mich ziemlich im Nebel, aber wenn er erst einmal weg ist, dann wird es dort wundervoll sein. Ich stelle mir das wie eine Wanderung in den Bergen vor, wo man zunächst nicht sehen kann, wo es hingeht. Aber ich weiß, wenn der Nebel sich verzieht und ich erst mal oben angekommen bin, dann wird die Aussicht dort mega gut sein. Und dann spielt es auch keine Rolle mehr, dass es anstrengend war, dass meine Füße ein bisschen nass geworden sind und ich zwischendurch den Weg nicht gesehen habe.

Ich hoffe nur, dass der Nebel nicht zu lange bleibt.

Bis dahin bete ich mit dem Edify Kollektiv singend diese Zeilen:

Und „dieser Ort“ ist dann je nach Situation meine Familie, der Ort, wo ich wohne, wo ich arbeite oder wo ich den Gottesdienst besuche. Ich brauche Gott hier, mehr als je zuvor.

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