In deinen Armen

Blick von Mama auf ihr Baby, das sie gerade stillt
Foto von pexels von Tanya Oleksiivna

Schnell packe ich mein kleines Baby ein, stopfe ihre Hände in den Overall. Sie wird zusehends unzufrieden und ich nervös. Wir sind draußen, ich spüre die kalte Luft an meinen glühenden Wangen. Schnellen Schrittes eile ich den Berg hinauf. Mein Baby weint nun. Ich krame ungeduldig nach dem Schlüssel, das weinende Baby schon im Arm. Ich eile die Treppe hinauf. Schnell ausziehen, Stillkissen Spucktuch und Schemel bereitlegen.

Meine Tochter hat nun solchen Hunger, dass es weh zu tun scheint. Zumindest schreit sie so laut. Ich unterdrücke das Gefühl, eine Rabenmutter zu sein, weil ich lieber noch fünf Minuten länger bei meinen Freundinnen sein wollte. Hätte auch etwas zeitiger loslaufen können. Nun reißt das Baby den zahnlosen Mund weit auf. Statt Grübchen sind nur die tiefen Stirnfalten zu sehen, die sie von meinem Mann geerbt hat. Ich setze mich. Sie trinkt mit hastigen Zügen.

Erste pinke Blüten am Pfirsichbaum
Schönheit

Gestillt

Nach ein paar Minuten ist ihr Hunger gestillt. Erst Schreien, dann Stille. Ich stille sie. Sie ist still. Ich bin still, rühre mich keinen Zentimeter, denn nun ist sie am Einschlafen. Friedlich sieht sie aus. Sie spürt meine Nähe und kann zur Ruhe kommen. Kleine Seufzer unterbrechen das leise Babyschnarchen. Ich unterdrücke das Gefühl, eine Rabenmutter zu sein, weil ich sie (wieder) habe schreien lassen. Aber nun ist ihr Gesicht entspannt und man sieht ihre langen, pechschwarzen Wimpern, die Augenbrauen, die ihre Augen umrahmen. Es sind die Augen meines Mannes.

Gestillt. Ihre Bedürfnisse sind gestillt. Sie ist geborgen in meinen Armen, friedlich liegt sie da.

Das Gebet einer Mama

Es gibt einige Texte in der Bibel, die ich besser verstehe, seit ich Mama bin. Dazu gehört auch Psalm 131. Die Psalmen sind Lieder und Gebete. Sie stammen von unterschiedlichsten Autoren aus den unterschiedlichsten Lebenssituationen.

Gebet einer Pilgerin

(…)

2Vielmehr fand ich zur Gelassenheit zurück,

und meine Seele konnte zur Ruhe kommen.

Wie ein gestilltes Kind bei seiner Mutter,

wie das gestillte Kind an meiner Brust –

so ist meine Seele zur Ruhe gekommen.

3So soll auch Israel auf den Herrn warten

von heute an bis in alle Zukunft.

(Psalm 131,2+3 nach der BasisBibel-Übersetzung)

Der Lärm meines Lebens

Da ist vieles, was mich in diesen Tagen unruhig macht: Noch nicht fertig vorbereitete Termine auf der Arbeit, unbequeme Besprechungen, Krankheit, ein Trauerfall, Sorgen um Familienmitglieder, die tägliche Frage, ob die Kinder in die Kita gehen können oder nicht und Fassungslosigkeit im Hinblick auf das Weltgeschehen. Da fällt mir dieser Vers in die Hände und ich erinnere mich an die Situation von oben. Ich erinnere mich daran, wie krass dieser Gefühlszustand vor dem Stillen von dem abweicht, wie er nach dem Stillen ist. Als ob man ein anderes Kind vor sich hätte.

Kleine Erbsenknospen in der Erde
Erste Erbsenknospen

Nach den letzten Tagen sehne ich mich nach Pause, Ruhe. Ich sehne mich danach, dass die vielen Gedanken und to Dos in meinem Kopf verstummen, auch ohne erledigt zu sein. Dann dieser Vers. Zur Gelassenheit zurückkommen, die Seele zur Ruhe kommen lassen. Das wünsche ich mir. Diesen Sumpf an Anforderungen an mich selbst scheine ich aber heute nicht durchschreiten zu können. Dafür habe ich viel zu wenig Energie und der Sumpf ist so matschig, dass meine Füße bei jedem Schritt einzusinken scheinen und hinter jeder bewältigten Aufgabe nichts weiter als der nächste Sumpf zu sehen ist.

Das Gebet in deinen Armen

Ich gebe dir, mein Gott, mein Versagen. Ich gebe dir meinen Kontrollverlust. Ich gebe dir meinen Haushalt, der auch schon mal besser lief. Ich gebe dir die verschimmelten Auberginen, die eigentlich schon längst hätten verarbeitet werden müssen. Ich gebe dir das Gespräch, das nicht gut lief. Gott, ich gebe dir die Sorgen um Gesundheit und Krankheit. Ich gebe dir meinen Ärger über die Unplanbarkeit des Lebens. Ich gebe dir mein Wut über das, was auf dieser Welt gerade passiert.

Blick von Mama auf ihr Baby, das sie gerade stillt
Foto von pexels von Tanya Oleksiivna

Ich kuschel mich einfach in deine Arme, entfliehe dem Alltag. Ich fühle, dass meine müden Beine gehalten werden, dass ich einfach sein darf. Meine unruhigen Hände krallen sich an dir fest. Ich bin angekommen. Bei dir. Es dauert ein bisschen, bis ich zur Ruhe finde. Aber dann fühle ich es: Ich habe das alles nicht in der Hand. Du bist es, der mich trägt.

Ich löse mich aus der Umarmung, drücke dich noch einmal fest und gehe zurück in meinen Alltag. Du bist ganz in der Nähe, nicht weit weg. Deine Anwesenheit erinnert mich daran, was ich zuvor mit dem Herzen verstehen durfte: Bei dir kommt mein Herz zur Ruhe, wie ein gestilltes Baby in den Armen seiner Mutter.

Bei Zeiten

Später kommt mir noch ein Gedanke. Vielleicht sollte ich auch die Lektion: „Nicht erst stillen, wenn das Baby schon fürchterlich schreit, sondern ruhig bei den ersten Anzeichen des Hungers“, auf mein Glaubensleben übertragen. Viel zu oft suche ich die intensive Begegnung mit Gott erst dann, wenn mir der Hunger quasi schon weh tut. Dabei ist er immer für mich da. Er wartet schon auf mich.

Leave a reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Cookies Hinweis

Auch hier gibt's Cookies, natürlich ohne Milch, Ei und Soja. Die Bedingungen dazu findest du auch irgendwo. Viel Spaß beim Stöbern!