Zwischen den Jahren

Wunderkerzen, Silvester
Foto von Kris Lucas / Pegels.com

Das alte Jahr ist liegt hinter mir

das neue Jahr vor mir.

Sehnsucht

Das alte hatte mit sehnsuchtsvollen Momenten begonnen. Mit der leisen Angst, es könnte ein Lauf werden, der zu anstrengend, mit zu vielen Hindernissen sein könnte. Und je näher der Mai kam, desto enger wurde es in meiner Brust. Desto kürzer mein Geduldsfaden und desto weniger die Freude an dem, was ich sonst eigentlich so gerne mache. Was ich vermisst hatte, überforderte mich nun.

Zwischendurch Trauer, die ich kaum an die Oberfläche lassen konnte, gab es doch so viel, was am Laufen gehalten werden musste. Keine Zeit für Tränen, keine Zeit zum Denken. Und fragte dann doch jemand mal wirklich nach, wie es mir ging, wurde der Kloß im Hals dick, ich musste schlucken. „Es ist gerade nicht leicht ( aber wird schon wieder!)“, antwortete ich.

Durchatmen?

Gut, dann war der Mai vorbei. Der Sommer versprach Freiheiten, hier und da etwas, aber nicht so viel. Aber dann irgendwie doch. Und die Kinder waren immer noch krank. Hey, aber es ist doch Sommer?!? Und statt Erholung war da auch ganz viel Kraft, die ging und ging und ging und kaum reingeholt wurde. Hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt.

Und dann neue Nachbarn und damit verbundener Aufwand und die nächste Grippe und dann auch irgendwann zwei Wochen Urlaub, aber als ich endlich zur Ruhe gekommen war, da ging es schon weiter – und wie!?! Neue Lebensabschnitte begannen, nahmen Raum ein. Schön und schmerzlich, diese Übergänge. Wollte sie gestalten, mit den Kindern an der Hand hinüber gehen, Momente auskosten, Wertschätzung ausdrücken, Hoffnung geben. Bin weit an dem vorbeigeschlittert, was ich mir vorgenommen habe. Ist okay. Ich habe alles gegeben, was ich hatte.

See im Nebel
Foto von Markus Spiske / Pexels.com

Was bringt die Zukunft?

Zwischendrin mache ich mir Gedanken über meine Zukunft auf der Arbeit. Zuversichtlich, dass es besser wird mit der Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf, aber gleichzeitig wehmütig, loslassen zu müssen und fragend, ob der neu ausgewählte Platz der ist, an dem ich sein sollte. Einer, an dem ich wieder frei atmen kann oder einer, an dem meine Leidenschaft verloren geht.

Wenn ich in die Geschichten der Bibel schaue und da so verrückte Menschen sind, die auf dem Wasser laufen oder ihre Heimat verlassen, dann habe ich das Gefühl, dass mein immer-wieder-nachjustieren nicht besonders nach Gottvertrauen aussieht. Aber erstens hat Jesus nie von Petrus verlangt, auf dem Wasser zu gehen und zweitens muss es ja auch nicht immer gleich so krass sein, um gut zu sein, oder?

Vertrauensschritt

Das erinnert mich an Sandra. Sie hat mir vor ein paar Jahren ihre Geschichte anvertraut. Dieses Jahr habe ich immer wieder an sie gedacht: Sandra hatte jahrelang bei einer Bank gearbeitet (sicherer Job, Tarifvertrag, Weihnachtsgeld usw.), aber immer das Gefühl hatte, dass da noch mehr sein müsste. Sie kündigte für einen befristeten 450€-Job bei einer Missionsgesellschaft. Ihre Kolleginnen hielten sie für verrückt.

Sandra selbst bezeichnet es als Vertrauensschritt. Sie wusste, dass Gott mehr für sie bereithält. Sie wusste, dass er sie versorgen würde. Dass er Dinge sah, die sie noch nicht wahrnehmen konnte. Sandra glaubte fest daran, dass Gott eine Zukunft für sie bereithielt, die auch ohne Tarifvertrag und Zusatzversicherung richtig gut sein würde. Eine Zukunft, die sie erfüllen würde.

Und siehe da, der Mini-Job wurde nach einiger Zeit aufgestockt, die Befristung aufgehoben und Sandra erlebt Gott nun bei seinem Werk immer wieder auf der Arbeit und kann direkt daran mitarbeiten. „Es war nicht immer leicht!“, räumt sie ein. Die Einarbeitungszeit war nicht gerade einfach: Neue Aufgaben, neue Verantwortung, neue Strukturen und Personen. „Aber es lohnt sich!“, sehe ich sie noch grinsend ergänzen.

Entscheidungshilfe

Vielleicht ist es Zeit für einen Vertrauensschritt. „Macht dich die Entscheidung kleiner oder größer?“, fragt Oliver Burkeman in seinem Bestseller ‚4000 Wochen‘ (Piper: München 2022). Also: fällst du die Entscheidung aus Bequemlichkeit, oder nimmst du die Herausforderung an, an der du sicherlich auch wachsen wirst und musst?Bei ihm habe ich aber auch gelernt: „Tue das Nächste und Notwendige!„.

Dass dieser Satz Sinn ergibt, habe ich in unserem Dezember deutlich gemerkt. Zwischendurch hätte ich mich am liebsten eingebuddelt und wäre erst kurz vor Heiligabend zu den Geburtstagen unserer Kinder aufgestanden, aber das ging leider nicht. Also war es dran, eins nach dem anderen zu tun. Ohne sorgenvoll ins Übermorgen zu schauen, sondern einfach nur das zu tun, was gerade wichtig ist.

Zwischen den Jahren

Jetzt genieße ich diese Zeit der Reflexion, des Ausruhens, des In-den-Tag-hinein-lebens aus vollen Zügen und atme nach. Bin für dieses Jahr am Ziel angekommen. War unterwegs nicht so gut, wie ich mir das gewünscht hätte, aber wer bin ich, dass ich mir einbilde, Kontrolle über mein Leben zu haben?!?

Und neben all dem, was mir den Schlaf geraubt hat und meine Seele hat schwer werden lassen, gab es auch so viele unfassbar schöne Momente. Mit meiner Familie, meinem Mann, auf der Arbeit und beim Entdecken wundervoller Texte in Büchern und online. Beim Blick auf die Natur und in den Momenten, in denen meine Nase gekribbelt hat und ich gemerkt habe: Hier ist Gott am Werk.

Leuchtmomente

Wunderkerze
Foto von Sarah Trümmer / Pexels.com

Gespräche

Da waren auch Gespräche mit bekannten oder eher unbekannten Menschen, in denen ich gespürt habe: wir schwingen gemeinsam, geben uns Impulse, kommen dadurch zu Höhen und entdecken Tiefen, die wir alleine nicht gefunden hätten. Wie beim Trampolin, wenn plötzlich zwei auf einmal gleichzeitig aufkommen und eine*r höher in die Luft geschleudert wird, als es zuvor möglich war. Das kann sich anfühlen, als ob man die Kontrolle verliert, aber auch richtig Spaß machen.

Gewachsen

Manchmal hatte ich das Gefühl, nicht voranzukommen und stecken zu bleiben. Aber bei genauem Hinsehen ist klar: Ich habe mich weiterentwickelt, neue Perspektiven bekommen, angefangen, für mich und meine Bedürfnisse einzustehen, Fünf gerade sein zu lassen. Ich habe eine zweijährige Fortbildung abgeschlossen und eine weitere kleine oben drauf gesetzt. Wir sind im Haus große Projekte angegangen und haben sie fast abgeschlossen, hin zu einer klimafreundlicheren Energieversorgung. Auch, wenn wir viel krank waren, so konnte doch alles, was wirklich wichtig war, stattfinden (bis auf eine Fortbildung, die ich leider kurzfristig absagen musste).

Inseln

Im Alltags-Chaos haben wir immer wieder Inseln geschaffen, um es uns gutgehen zu lassen. Haben es ausgenutzt, dass die Kids nun auch Kartenspiele mit uns spielen, waren draußen, ohne das Gefühl zu haben, es zu müssen, sondern weil wir Lust drauf hatten. Als wir spontan bei meinen Eltern einziehen mussten, haben wir es ausgenutzt, uns zu viert unterhalten zu können, haben alte Doppelkopf-Erinnerungen ausgegraben und neue entstehen lassen.

Strahlende Kinderaugen

Wenn ich weiter grübele, denke ich an Kinder (fremde und eigene), die auf mich zukamen und mich umarmten, weil sie glücklich waren, über das, was wir gemeinsam gemacht hatten, über Gespräche und Quatsch machen, über Wiedersehen und eine Vorlesegeschichte am frühen Morgen. Ich denke an singende, tanzende, lauschende Kinde; an Kinder, die einfach zurückstrahlen, wenn man sie anschaut und an welche, die sagen: „Können wir noch mal…?“, oder: „Weißt du noch, als wir….?“.

Unperfekt, aber gut

Und wenn ich das alles sehe, dann verstärkt sich in mir die Annahme, dass doch nicht alles so schlecht ist, sondern dass wir auf einem guten Weg sind. Es ist weit entfernt von perfekt, aber eine weitere Erkenntnis des Jahres war auch, dass unsere Kinder keine perfekten Eltern brauchen. Noch nicht mal perfekte (Paten-)Tanten oder Freundin-Mamas. Sondern eher authentische, ehrliche Erwachsene, die immer wieder das Gute versuchen, ihr Scheitern nicht verstecken und der Welt mit ihrem Leben zeigen, dass Gott treu zu uns hält. Auch dann, wenn wir Fehler machen, wenn wir am Ende sind, wenn uns der Weltschmerz bedrückt und wir genug vom Alltagstrott haben. Und so lege ich mein Jahr in Gottes Hand.

Gebet zum Jahreswechsel

Kerze in der Hand
Foto von Dazzle Jam / Pexels.com

Rückblick: Freude

„Gott, ich danke dir für all die wunderschönen Momente. Die guten Gespräche, die Freundschaften, meine Familie und das, was mir gut gelungen ist. Ich zünde ein Licht an, das mich daran erinnert: Gott macht mein Leben schön und hell. Er ist bei mir.

Rückblick: Leid

Gott, du siehst auch das, was mich bedrückt hat und es teilweise immer noch tut. Du siehst, wo ich anderen Menschen Leid zugefügt habe, wo ich meine Unmut an anderen ausgelassen habe oder Bedürfnisse nicht wahrgenommen habe, geschweige denn erfüllen konnte. Ich bitte dich um Vergebung, um inneren und äußeren Frieden. Ich bitte dich, dass du mich zu einer Person machst, die voller Liebe und Güte ist, voller Geduld und Freundlichkeit, voller Liebe, Nachsicht und Selbstbeherrschung. Ich zünde ein Licht an, als Zeichen dafür, dass du die Finsternis erhellst.

Ausblick: Sorgen

Gott, du weißt schon, was da kommen wird, im neuen Jahr. Ich weiß, du gehst mit. Dafür danke ich dir. Ich gebe dir meine Sorgen um das, was ansteht. Ich will dir vertrauen, dass du gute Pläne für mein Leben hast – Pläne der Zukunft und der Hoffnung, was immer auch geschehen mag. Ich zünde ein Licht an, das mich daran erinnert: Der Gott, der diese Welt erschaffen hat, der den Tod besiegt hat, der sieht auch mich. Er kennt mich und ist in jeder Stunde an meiner Seite.

Ausblick: im Vertrauen

Und so gehe ich im Vertrauen in dieses neue Jahr, dass in jeder Jahreszeit meines Lebens eins gewiss ist: Ich bin in diese Welt ausgesandt, um Licht und Wärme zu bringen. Dabei darf ich ich selbst bleiben und mich dennoch weiterentwickeln. Ich zünde ein Licht an, das mich daran erinnert: Wärme und Licht müssen nicht aus mir selbst heraus kommen, sondern immer aus dem heraus, der mir Licht und Leben gibt. Gott, ich danke dir dafür. Amen.

Jetzt bist du dran!

Was waren deine Sternstunden? Was hat dich froh gemacht? Was war schwierig? Wo bist du an anderen schuldig geworden? Und wo sind Menschen an dir schuldig geworden? Wo wird es Zeit abzuschließen? Worüber bist du unruhig und wo wird es Zeit für Frieden?

Wenn du auf das neue Jahr blickst: Was macht dir Angst? Was bereitet dir Sorgen? Worauf freust du dich?

Rede doch mal mit Gott darüber. Ich bin mir sicher, er genießt die Zeit mit dir und wartet schon auf dich. Und vielleicht zündest du auch die vier Kerzen dabei an….

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