Früher habe ich häufig mit anderen Leuten zusammen Musik gemacht. Aber ich habe ein Problem mit Pausen. Ich halte sie in den Takten nämlich meistens nicht ein. Zu Beginn war das ganz katastrophal, dann begann ich mit meinem Fuß den Takt anzugeben, zählte mit und so wurde es ein bisschen besser. Aber mein Gefühl sagt mir immer: „Jetzt kann es schon weitergehen.“ Dabei ist die Pause häufig noch nicht fertig. Dadurch bringe ich manchmal alle(s) aus dem Takt und manchmal sorgt es dafür, dass Luft holen, Zwischenspiele genießen oder die Variation mit Dynamik (=geht es gerade eher ruhig in dem Stück zu oder ist es der furiose Höhepunkt des Liedes) geht verloren. Ich weiß: Pausen sind für die Musik wichtig. Trotzdem habe ich meine Probleme damit.
Im Leben
Und wenn ich an mein Leben denke, dann ist das gar nicht so weit davon entfernt. Auch hier weiß ich: Pausen sind wichtig. Ohne Pausen kann ich nichts Neues schöpfen, ohne Pausen geht die Kreativität und die Kraft flöten und ohne Pausen bin ich auch nicht mehr aufnahmefähig, weil das, was ich höre, mache, sehe, die Eindrücke, die ich habe, nicht verarbeitet werden können. Aber wenn die To-Do-Liste lang und der Tag kurz ist, was bleibt einem da übrig, als die Pausen wegzulassen?
Nicht fertig!
In den letzten Monaten hatte ich zwei Erlebnisse, die mir geholfen haben, anders über Pausen zu denken: Das erste Erlebnis war bei unserem Betriebsausflug. Der war wunderschön und genau mein Ding: wir haben ein Escape Game in Marburg gespielt. Ein bisschen durch die Gegend laufen, die Umgebung erkunden, Rätsel lösen und das in einer Gruppe netter Menschen, mit denen man im Alltag viel zu wenig Gelegenheit hat, zu reden. Unsere Gruppe war die letzte, die starten durfte (es musste immer ein bisschen Zeit dazwischen liegen), und so gingen wir noch mal in die Elisabethkirche und dank meines ortskundigen Chefs konnte ich diverse Fragen zum Gebäude usw. stellen. Dann ging das Spiel los und auch unterwegs machten wir immer mal wieder Abstecher, in die Uni zum Beispiel, mit Gebäuden, die mich sprachlos werden ließen vor Kunst und Prunk und einem Gefühl davon, dass hier gerade zu wenige Menschen sind (könnte daran gelegen haben, dass Semesterferien waren). Es war heiß und so stimmten wir alle glücklich zu, als unser Chef auf dem Marktplatz fragte, ob er uns zu einem kalten Getränk einladen könnte. Wir saßen dort, machten Pause, obwohl wir nicht fertig waren. Irgendwann wurde ich unruhig, ein paar andere auch und wir setzten das Spiel fort. Bei der vermeintlich letzten Station mussten wir feststellen, dass noch weitere Aufgaben auf uns warteten, doch bei einem Blick auf die Uhr war für alle klar, dass das heute nichts mehr werden würde. Zu Mittag waren wir mit den anderen an einem Restaurant verabredet und danach sollte es auch wieder nach Hause gehen.
Meiner Kollegin und mir wurde erst beim Warten auf das Essen wirklich klar, dass wir das Spiel an diesem Tag nicht beenden würden. Ihr machte das sichtbar zu schaffen und als ich dieses Gefühl bei ihr wahrnahm, bemerkte ich es auch bei mir: Durch unsere Pause hatten wir es nicht geschafft, das Spiel zu beenden. Das wurmte uns. Ich bringe Sachen gerne zu Ende. Gleichzeitig war die Pause auch schön. Um mit dem Spiel fertig zu werden, hätten wir sie weglassen müssen. Es war jedoch eine wirklich gute Zeit gewesen und das Spiel war doch im Grunde völlig egal, es ging um nichts. Dass wir es nicht fertig gemacht hatten, änderte nichts daran, dass es ein wunderschöner Ausflug war. Der Preis fürs Fertigwerden wäre „Durchziehen“ gewesen. Doch was hätten wir dabei alles verpasst!
Ich will mir das zu Herzen nehmen, dass manches unfertig bleiben darf. Gerade dann, wenn es nicht relevant ist. Ich will mir zu Herzen nehmen, Pausen zu machen, auch wenn ich dann vielleicht nicht fertig werde. Denn, wenn ich ehrlich bin, bezweifle ich, dass ich jemals mit allem fertig sein werde, was ich mir vornehme.
Inspiration und Rekreation
Das zweite Erlebnis war im Urlaub. Mehr als drei Wochen arbeitete ich in diesem Sommer nicht. Ich schaute nicht auf meine Nachrichten, beantwortete nichts und hatte auch keine Termine für die Arbeit. Wir waren im Urlaub, unglaubliche 16 Tage lang und ich genoss es. Und zwischen meinem Lesen und Schauen, meinem Ruhen und Schlendern, zwischen dem Nachdenken und Dösen hatte ich Ideen. Ideen für eine Predigt, die im November bei mir ansteht. In den verschiedensten Situationen kamen mir kleine Gedanken dazu. Nur ein paar Fetzen. Ich schrieb sie mir in meine Notizapp und merkte am Ende, dass ich sie nach meinem Urlaub nur noch sortieren muss und die Predigt dann schon fertig habe. Während meines Rumgammelns hatte sich mein Kopf entschieden, Hoffnungsspuren zu folgen, Rekreation eben. Mir wurde klar, dass ich ebendiese Zeiten der Ruhe, der Inspiration, des Verarbeitens brauche, um wieder geben zu können. Und so war ich auch mehr als bereit, als ich nach meinem Urlaub die Anfrage bekam, an einem Buchprojekt ein klein wenig mitzuarbeiten. Mehr dazu kommt hier in ein paar Monaten.
Jesus ruhte. Jetzt du?!?
Auch Jesus ruhte. Mal sah das so aus, dass er auf einen Berg wanderte, mal dass er auf einem Boot schlief, während seine Freunde um ihn herum rackerten. So, wie die Pausen in der Musik das Stück zu einem Besseren machen, weil es wie ein Luftholen, ein Energiesammeln für das, was kommt, oder ein Hinhorchen ist oder Gelegenheit zur Improvisation bietet, so brauche ich auch im Leben Pausen. Besonders auch an den Tage mit langen To-Do-Listen. Doch ich bin noch auf der Suche danach, wie gute Pausen für mich aussehen. Einfach auf dem Sofa liegen ist für mich oft schwierig. Aber ich habe ein paar andere Sachen für mich (wieder-)entdeckt: Klavierspielen, Yoga (aber ohne eine Serie im Hintergrund), ein Buch lesen, Himbeeren pflücken (aber nicht, wenn ich es muss), Fahrradfahren (aber nicht in Eile), Schreiben, eine Gitarre reparieren (bzw. es versuchen). Ich habe mir vorgenommen, solche Sachen auch in meine To-Do-Liste zu schreiben und zwar gleichrangig zu all den wichtigen Dingen, die dort sonst stehen. Mein Körper freut sich, meine Seele auch. Doch noch muss ich üben: alte Gewohnheiten sind schnell wieder da, wenn es hektisch wird. Pause. Ein Grund, warum es diesen Blog gibt und warum ich die Texte nicht vorrangig auf Instagram einstelle, ist, dass ich dir helfen will, Pause zu machen, statt schnell weiterzuscrollen. Hier auf dem Blog gibt’s wenig Ablenkung und selten Neues. „Komm, wir machen jetzt Pause“, rufe ich dir daher zum Schluss zu. Machst du mit?