Hört das Schreien!

Jakobus 5,1-6

4 Hört doch! Hört das Schreien der Erntearbeiter, die eure Felder bestellt haben und die ihr um ihren Lohn betrogen habt.

Gott, der Allmächtige, hat ihr Schreien gehört.

5 Ihr habt eure Jahre auf der Erde im Luxus verbracht und euch jeden Wunsch erfüllt. Jetzt sind eure Herzen wohl genährt und fett, bereit für den Schlachttag, den Tag des Gerichts.

6 Ihr habt gerechte Menschen, die sich nicht gegen euch wehren konnten, verurteilt und getötet. (Jakobus 5,4-6)

Immer, wenn ich diese Verse aus der Bibel lese, dann treffen sie mich:

10%

In rund 3000 Bibelversen (also jedem zehnten Vers) geht es um das Thema Armut und Gerechtigkeit. So auch in diesen Versen. Gott scheint dieses Thema unglaublich wichtig zu sein. Heute, in der Welt, in der wir leben, hängt alles zusammen. Schau doch mal, wo deine Schuhe, wo dein Oberteil, wo dein Handy produziert wurde. Wo wurde das Essen angebaut, das du heute Mittag gegessen hast? Gab es diese leckeren Trauben, die extra für dich 1500km geflogen sind?

Ich lese diese Bibelstelle und denke: Judith, hör doch! Hör doch das Schreien der Arbeiter, die für euch gearbeitet haben, damit ihr die neuen Nikes, das neue Oberteil, die leckeren Trauben, die süße Schokolade oder was auch immer haben könnt. Ihr habt sie um ihren Lohn betrogen. Weil es euch egal war, weil ihr die Augen verschlossen habt, weil ihr nicht ein paar Euro mehr ausgeben wolltet, habt ihr ihnen die Chance genommen, bei ihren Kindern zu sein, habt ihnen das Recht auf Schulbildung genommen usw…. Ihr habt eure Jahre auf der Erde in Luxus verbracht und euch jeden Wunsch erfüllt. Jetzt sind eure Herzen wohlgenährt und fett. Aber jetzt kommt die Abrechnung, jetzt zeigt euch Gott, wie ihr dadurch Schuld auf euch geladen habt. Jetzt lässt Gott euch durch seine Augen schauen. Er zeigt euch die Menschen, die ausgebeutet wurden, wegen euren selbstsüchtigen Wünschen. Ihr habt gerechte Menschen, die sich nicht gegen euch wehren konnten, verurteilt und getötet.

Das stimmt nicht? Ihr wusstet nicht Bescheid? Jeder von euch kennt doch so ein Beispiel, oder nicht? Wenn ihr es noch mal vor Augen geführt haben wollt, schaut mal diesen Kurzfilm von Oxfam: Ausbeutung in Vietnam: 1.200 Paar Schuhe für 9 Dollar.

Und jetzt?

Ok. Verstanden. Und jetzt? Nackig rumlaufen? Selbst Baumwolle anpflanzen, Garne herstellen und Klamotten selber machen? Nur noch das essen, was bei mir im Garten wächst? Das meiste davon kommt bei mir nicht in Frage 😉

Die Band „Alive Worship“ singt im Chorus ihres Liedes „Psalm 82“ Folgendes:

„Schafft Recht den Armen und den Waisen

Und helft den Schwachen in der Not

Gott selbst hat sich für sie hingegeben

Und das will ich auch tun“ (Salvatore Gangi)

Noch mal von vorne

Aber wo bloß anfangen? Bei mir ist es ein Weg, der von Scheitern und Neubeginn gekennzeichnet ist. Der Weg ist weit und das Ziel noch in weiter Ferne. Zum Beispiel beim Thema Müll und Ressourcenverschwendung: Würden die Mülltonnen mal drei Monate nicht geholt, könnte man unseren Hof mit einer Mülldeponie verwechseln. Ich weiß, dass es krass helfen würde, wieder die Stoffwindeln zu verwenden, wieder mehr glutenfreies Brot zu backen, statt es in kleinen Portionen in doppelter Plastikverpackung zu kaufen. Aber die Tage sind kurz und die Aufgabenliste lang. Und sich selbst kaputt machen bringt ja auch irgendwie nichts. Also fange ich wieder klein an.

Judith und Fashion

Oder noch so ein Beispiel: Klamotten. Du musst wissen: Mein Geschmack ist so lala und deswegen habe ich mir einen Mann gesucht, der immer gut gekleidet ist. Er kümmert sich nun schon seit 15 Jahren (Teenie-Beziehung…) darum, dass ich einigermaßen vorzeigbar durch die Weltgeschichte laufe. Irgendwann habe ich mir dann aber doch vorgenommen, jetzt keine Fast Fashion mehr zu kaufen (bzw. von meinem Mann kaufen zu lassen). Ich bestellte bei Vinted ein paar richtig schöne Teile, gebraucht und günstig. Als ich sie dann aber zu Hause hatte, musste ich feststellen, dass ich in fünf von sechs Teilen furchtbar aussah. Also ließ ich Vinted Vinted sein und vertraute wieder meinem Mann. Vor einiger Zeit habe ich dann Momox Fashion entdeckt. Da kann man gebrauchte Kleidung bestellen, bekommt sie aus einem zentralen Lager zugeschickt und kann es dorthin auch wieder zurückschicken, wenn es nicht (gut) passt und der Partner kann Feedback geben.

Fleisch

Beim Thema „Fleisch“ bin ich noch nicht so lange auf dem Weg. Es hat lange gedauert, bis ich kapiert habe, welche Auswirkungen mein Fleischkonsum auf die Umwelt hat. (Wer da auch noch im Nebel wandert, kann ja mal hier schauen.) Als ich eine Doku darüber gesehen habe, ist mir das Ganze wortwörtlich auf den Magen geschlagen. Ich habe angefangen, einmal in der Woche vegan zu kochen. Dann irgendwann, als ich genug gute Rezepte ausprobiert und für okay befunden hatte, habe ich zweimal pro Woche vegan gekocht und mittlerweile  klappt es mit den vielen Ersatzprodukten ganz gut, dass wir auf immer mehr Fleisch verzichten können.

Unsere ältere Tochter hat sich letztes Jahr noch über kleine Stücke Fleisch beschwert. Mit guten Argumenten hat sie sich aber schon immer umstimmen lassen und so hört man von ihr manchmal ein: „Ist doch gut, wenn wir den Tomaten-Aufstrich essen, dann brauchen wir gar keine Wurst zu nehmen.“ Ganz Streichen fällt mir aber sehr schwer (ich liebe Schnitzel, Rinder- und Hühnersuppen, Schinken und Salami) und so versuchen wir es mit einem Schritt nach dem anderen. Aktionen wie der diesjährige „Veganuary“ haben mir geholfen und dass die Bedingungen bei Tönnies letztes Jahr so stark in den Fokus der Presse gerückt sind, hat auch nicht geschadet. Aber auch hier: Wenn die Woche mal wieder voll ist und das Portemonnaie leer, sind die guten Vorsätze schnell vergessen. Da höre ich dann wieder die mahnenden Worte: „Hört das Schreien…!“, und sie treffen mich wie beim ersten Mal.

Müll.

Schafft Recht statt Unrecht

Also sind wir wieder bei der Forderung aus dem Lied (angelehnt an Psalm 82): So wie Jesus sich immer und immer wieder um die Einzelnen gekümmert hat, um diejenigen, die am Rande stehen, so will ich mich auch mit dem, was ich habe und gut kann und in dem Umfeld, in dem ich bin, einsetzen.

Jesus erzählt an einer Stelle ein Gleichnis. Da sind drei Männer, die alle Geld bekommen. Sie sollen es gut einsetzen und verwalten, bis der eigentliche Besitzer wieder zurückkommt. Zwei von ihnen machen das auch und erwirtschaften Gewinn. Aber einer von ihnen vergräbt das Geld nur und bekommt am Ende einen ordentlichen Rüffel. Die beiden anderen werden gelobt, bekommen die Zusage, mehr zu bekommen, weil sie mit dem Bisherigen gut gewirtschaftet und sich als treue Diener erwiesen haben. In der deutschen Übersetzung wird die Währung „Talente“ genannt (ob das Zufall ist?). Es liegt also nahe, das auch auf Gaben und Talente, die wir Menschen (von Gott bekommen) haben, zu beziehen. Kurz gesagt: Das, was wir hier auf der Erde an Geld, an Privilegien, an Talenten haben, das sollen wir für das Gute einsetzen und es nicht „in der Erde vergraben“.

Treue Verwalter

Der goldene Weg ist also nicht für alle ein autarkes, schlichtes Leben, mit rundum Selbstversorgung usw. Wer viel Geld hat, soll es gut einsetzen. Hier fallen mir Patenschaften für Kinder aus ärmsten Verhältnissen ein, das Kaufen von fair gehandelten Produkten usw. Wer eine Familie hat, kann das Thema „Gerechtigkeit“ immer wieder zur Sprache bringen. Diejenige, die besonders gastfreundlich ist, könnte mal jemanden einladen, die am Rande der Gesellschaft steht. Wer Veranstaltungen organisiert, kann schauen, dass dort auf Nachhaltigkeit und faire Lieferketten geachtet wird. Was sind deine Privilegien? Was sind deine Talente? Setzt du sie ein, oder müssten sie längst mal ausgegraben werden?

In einem anderen Lied heißt es „Break my heart for what breaks yours“.

Dieses Gebet ist eines, das ich immer wieder beherzt beten möchte:

Himmlischer Vater, lass mich die Welt mit deinen Augen sehen.

Ich will nicht über Leid und Not und Schreie hinwegsehen.

Ich will mich darauf einlassen und mitleiden.

Aber ich habe Angst davor, überwältigt zu werden von den Schmerzen dieser Welt.

Meine Kraft reicht ja manchmal gerade nur für unsere eigenen Probleme.

Zeig mir, wo du mich gebrauchen willst,

wie du mich gebrauchen willst,

wann du mich gebrauchen möchtest.

Und dann gib mir die Kraft und den Mut, das auch zu tun.

Und Vater, bitte vergib mir, wo ich das Ziel verfehlt habe, wo ich Prioritäten falsch gesetzt habe.

Danke, dass du Heilung schenken willst, auch für zerbrochene Herzen.

Amen.

3 thoughts on “Hört das Schreien!”

  1. Vielen Dank für den Deinen tollen Beitrag! Auch für unsere Familie ist es ein tägliches Ringen darum, andere Menschen und Tiere möglichst wenig auszubeuten. Wir kaufen unsere Lebensmittel zu mindestens 80% fair und bio und haben dadurch sehr hohe Lebensmittelkosten. Auch ernähren wir uns vegan, bis auf Eier aus verantwortungsvollen Quellen. Bei Kleidung und Schuhen kaufen wir oft fair, aber nicht immer. Manchmal können wir es uns einfach nicht leisten und manchmal ist es unsere eigene Bequemlichkeit, die im Weg steht. Wenn ich mir vor Augen führe, wie ausbeuterisch selbst unsere Familie, die sich seit über 8 Jahren mit dem Thema befasst, noch ist, wird mir ganz anders. Manchmal ist es schlicht nicht möglich, einen benötigten Gegenstand zu finden, der fair produziert wurde. Gerade bei Technik ist es schwer. Finde mal einen USB-Stick, der unter guten Bedingungen hergestellt wurde…
    Da hilft nur, so wenig Technik zu konsumieren, wie möglich. Zum Teil schaffen wir das, aber schicke Handys haben wir auch. Ich wünsche mir so sehr politische Vorgaben, die Ausbeutung verhindern und Nachhaltigkeit vorraussetzen, sodass es gar nicht mehr möglich wäre, Dinge zu kaufen, die unter dem Leid Anderer hergestellt wurden. So bald wird das aber nicht passieren, also muss jede Person selbst ihr Kaufverhalten reflektieren…
    Vielen Dank für deinen tollen Blog, ich habe schon viel für mich Wertvolles darin gefunden!
    Liebe Grüße Johanna

    1. Hallo liebe Johanna,
      oh wie habe ich mich über deinen Kommentar gefreut! 🙂 Vielen herzlichen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast!
      Ja genau! Und je mehr man weiß, desto mehr müsste man auch machen. Gleichzeitig ist es aber auch so schwer. Maja Göpel schreibt in ihrem Buch „Unsere Welt neu denken“ auch davon, dass Vorgaben aus der Politik die wirksamste Möglichkeit wären. Da würden „kleine“ Gesetze schon sehr viel bewirken. Ich kann das Buch sehr empfehlen. Dort wird auch das Dilemma zwischen den individuellen Entscheidungen und dem, was eigentlich für die gesamte Gesellschaft gut wäre, beschrieben. Als Beispiel führt sie Dorfläden an, die für die Gesellschaft wichtig und nötig wären, aber durch viele individuellen Entscheidungen häufig kaputt gehen. Das Buch gibt es übrigens auch zum Hören 😉
      Ich habe aber Hoffnung und das Gefühl, dass sich gerade wirklich etwas bewegt!
      Liebe Grüße von
      Judith

      1. Das Buch klingt interessant, danke für die Empfehlung :).
        Das Gefühl, dass sich etwas bewegt, habe ich auch – vor allem in Europa. Gleichzeitig passieren in anderen Teilen der Welt zum Teil große Rückschritte in Sachen Fairness und Nachhaltigkeit. Ich finde es manchmal schwer, nicht daran zu verzweifeln – insbesondere da sich alle glaubhaften Wissenschaftler einig sind, dass wir JETZT auf der ganzen Welt komplett das Ruder herumreißen müssten, wenn die Welt nicht im völligen Klimakollaps enden soll – da eben viele Entwicklungen, wie das Schmelzen der Polkappen, oder das Auftauen der Permafrostböden nicht mehr zu stoppen sind und weitere Prozesse in Gang setzen, die dann nicht mehr kontrollierbar sind.
        Ich versuche, dann auf Gott zu vertrauen und mein Bestes zu geben. Vielleicht geschehen noch Wunder…

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